Dienstag, 27. März 2007
Deutschland - Ein Zustandsbericht
Am 27. März 2007 im Topic 'Deutschland'
Zwei große Themen bestimmen aktuell die Tagesordnung dieser Gesellschaft: die politischen Dauerprobleme der Arbeitslosigkeit und des Umbaus des Wohlfahrtsstaates sowie die immer wiederkehrende Debatten und Kampagnen um kollektive Identität, Patriotismus und Leitkultur. Die rhetorischen Kämpfe um die technischen Details von so genannten Reformen und die Identitätskampagnen verstellen zugleich den Blick auf die dramatischen gesellschaftlichen Veränderungen und ihre negativen Folgen, die wir seit dem Beginn unseres Forschungsprojekts 2002 beobachten und die besonders konzentriert auftreten in manchen Gemeinden, (Klein-)Städten, Regionen und Bundesländern, also sozialräumlich verdichtet. Entstehen oder verhärten sich gar Problemzonen, in denen die Ängste vor sozialer Desintegration und menschenfeindliche Mentalitäten besonders auffällig sind?

Unsere diesjährige Analyse der feindseligen Mentalitäten gegenüber schwachen Gruppen, wie wir sie in unserem jährlichen Bericht über »Deutsche Zustände« beschreiben, zeigt drei auffällige Entwicklungslinien: Das Ausmaß an Fremdenfeindlichkeit mit deutlicher Zustimmung dazu, dass es zu viele Ausländer im Lande gebe und sie nach Hause geschickt werden sollten, wenn die Arbeitsplätze knapp würden, nahm in den letzten Jahren kontinuierlich zu. Dies gilt auch für die subtile Abwehr jener Gruppen, gegenüber denen Etabliertenvorrechte reklamiert werden.

Ebenso hat die Islamfeindlichkeit unübersehbar zugenommen, beispielsweise die generalisierte Ablehnung der Auffassung, dass der Islam eine bewundernswerte Kultur hervorgebracht habe.

Beim Antisemitismus ist bemerkenswert: Zwischen 2003 und dem Frühjahr 2006 registrierten wir einen stufenartigen Rückgang der klassischen Facetten des Antisemitismus, wie er sich beispielsweise in der Aussage, dass »Juden zuviel Einfluss haben«, zeigt. Als wir aus Anlass der militärischen Auseinandersetzung zwischen der israelischen Armee und Hisbollah im August eine Nacherhebung durchführten, zeigte sich ein Anstieg auf das Niveau von 2002. Gleichwohl ist dies kein hinreichender Grund, die aktuelle Situation mit der Stimmung »vor 1933« zu vergleichen.

Wenn es um den Mentalitätszustand dieser Gesellschaft geht, spielen weniger diejenigen eine besondere Rolle, die sich selbst an den linken oder rechten Rändern des politischen Spektrums verorten, sondern vorrangig fallen die mittleren Soziallagen und ihre Einstellungen ins Gewicht – schon allein wegen ihres Umfanges. Sie gelten bislang als Synonym für Solidität der Lebensweise, Leistungs- und Aufstiegsorientierung sowie Einstellungen ohne extreme Positionen, kurz: als Garant von Normalität und politischer Stabilität. Nun zeigt sich eine sowohl beunruhigte als auch beunruhigende Mitte, denn die Kontrolle über die eigene Lebensplanung und das Reservoir von Anerkennungsmöglichkeiten werden in der Gesamtentwicklung von Desintegrationsängsten und -erfahrungen auch für sie prekär, und feindselige Mentalitäten greifen Platz

(...)

Quelle: Die Zeit

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Montag, 26. März 2007
Peter Hartz kritisiert Hartz IV
Am 26. März 2007 im Topic 'Politik'
Der frühere VW-Manager Peter Hartz hat harte Kritik an den nach ihm benannten Arbeitsmarktgesetzen geübt. Besonders die Regelung, nach der ein Arbeitsloser nur noch zwölf Monate lang das an seinem früheren Einkommen bemessene Arbeitslosengeld I erhält, sei "ein großer Fehler, ein Betrug, wenn Sie so wollen, an denen, die jahrelang in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben", sagte Hartz der "Bild am Sonntag". Ein weiterer Fehler sei, dass die Zuständigkeit für die Betreuung der Arbeitslosen teilweise nicht mehr bei der Bundesagentur für Arbeit liege.

Hartz hob hervor, dass die von ihm geleitete Kommission zur Reform des Arbeitsmarktes dies 2002 nicht so vorgeschlagen habe. Schuld daran, "dass nicht überall wo Hartz draufsteht, Hartz drin ist", seien die unterschiedlichen Mehrheitsverhältnisse in Bundestag und Bundesrat, Widerstände in der SPD-Fraktion sowie im Bundesarbeitsministerium gewesen, sagte Hartz. Der ehemalige Topmanager beklagte erneut, er sei "zum Buhmann der Nation geworden", weil die Politik damals die Vorschläge seiner Kommission nicht eins zu eins umgesetzt habe.

Heute erscheint Peter Hartz' Buch "Macht und Ohnmacht" im Verlag Hoffmann und Campe. Auf 315 Seiten erzählt der frühere Arbeitsdirektor von VW im Gespräch mit der Journalistin Inge Kloepfer über seinen Aufstieg, seine Zeit bei Volkswagen, sein Verhältnis zum früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder und seinen tiefen Fall im Sumpf der VW-Affäre um Korruption und Vergnügungsreisen für Betriebsräte. Auf der Leipziger Buchmesse hielt der Verlag das Buch noch unter Verschluss. Beim Internet-Anbieter Amazon.de waren die Hartz-Ergüsse bereits vor Erscheinen auf die Hitliste gerückt.

Über die Urteilsverkündung vor dem Braunschweiger Landgericht, wo Hartz wegen Untreue zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe auf Bewährung und über 500 000 Euro Geldstrafe verurteilt wurde, sagt Hartz im Buch: "Im Namen des Volkes - diese vier Worte haben mich ins Mark getroffen." Hartz hatte dem Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrats, Klaus Volkert, über Jahre Sonderbonuszahlungen in Millionenhöhe zugeschanzt und auch teure Reisen und Geschenke für dessen Geliebte auf VW-Kosten finanziert.

Dabei verteidigt Hartz, dass er Volkert über alle Maßen hofierte: "Ich, auch der ganze Konzern, waren auf seine Kooperationsbereitschaft angewiesen. Ohne den Betriebsrat lief vieles nicht bei VW. Und Volkert führte den Betriebsrat." Über eigene Verfehlungen auf den Dienstreisen sagt Hartz: "Diese Frage berührt mein Privatleben, das niemanden etwas angeht. Sie hat jedenfalls mit VW nichts zu tun." Auf Kosten von VW habe er sich nie amüsiert.

Quelle: Hamburger Abendblatt

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Gehälter - Vorstände gehen mit gutem Beispiel voran
Am 26. März 2007 im Topic 'Deutschland'
Trotz gut laufender Konjunktur nutzen Spitzenmanager jede Gelegenheit, um die Arbeitnehmer bei den Tarifverhandlungen zum Maßhalten aufzurufen. Für die eigene Klientel gilt der Appell nur eingeschränkt. Deutschlands Führungselite hat 2006 erneut mehr verdient als im Vorjahr - deutlich.

Berlin - Bei den 27 im deutschen Börsenleitindex DAX notierten Unternehmen, die bisher ihre Geschäftsberichte veröffentlicht haben, lagen Berechnungen der Tageszeitung "Die Welt" zufolge die Vorstandsvergütungen um durchschnittlich 16,9 Prozent höher als 2005. Die Bezüge entwickelten sich damit proportional zu den operativen Ergebnissen der Unternehmen (Ebit) - sie stiegen im Schnitt um 18,33 Prozent.

An der Spitze der Managerliga steht bislang Linde-Vorstandsvorsitzender Wolfgang Reitzle, der seine Bezüge erstmalig offenlegte. Mit einem Jahreseinkommen von 7,37 Millionen Euro sicherte er sich vorerst die Führungsposition.

Rang zwei und drei belegen bislang DaimlerChrysler- Chart zeigen-Chef Dieter Zetsche (7,15 Millionen Euro) und RWE- Chart zeigen-Manager Harry Roels (6,9 Millionen Euro). Am Dienstag wird die Deutsche Bank Chart zeigen ihre Zahlen für 2006 präsentieren. Dann wird sich zeigen, ob Vorstandsvorsitzender Josef Ackermann seinen Spitzenplatz aus dem Vorjahr von 11,9 Millionen Euro verteidigen kann.

Am stärksten gingen nach jetzigem Stand die Einkommen beim Nutzfahrzeughersteller MAN Chart zeigen nach oben. Die Manager erhielten im abgelaufenen Geschäftsjahr durchschnittliche Pro-Kopf-Bezüge von 1,89 Millionen Euro - 76,64 Prozent mehr als 2005. Einen ähnlich großen Sprung machten die Durchschnittsvergütungen beim Handelskonzern Metro Chart zeigen: Sie kletterten um 76,09 Prozent in die Höhe, von 2,12 auf 3,42 Mio. Euro.

Topverdiener sind bislang auch die Allianz-Vorstände, doch sie hielten sich 2006 an ihren eigenen Maßhalteappelle: Die durchschnittliche Pro-Kopf-Vergütung von 3,74 Mio. Euro bedeutet eine Steigerung um 1,36 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Grund für den Anstieg ist nach Meinung von Experten die zunehmende Flexibilisierung der Bezüge. Im Fall der Allianz Chart zeigensind die Bonuszahlungen von 10,16 auf 16,85 Millionen Euro gestiegen. Bei der Metro hat sich der variable Anteil am Einkommen sogar von 4,25 auf 8,46 Millionen Euro erhöht und damit fast verdoppelt.

Quelle: Spiegel

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Falschparker und Messerstecher
Am 26. März 2007 im Topic 'Deutschland'
Bußgeld

Wird die Verwarnung nicht rechtzeitig angenommen und/oder werden Einwände geltend gemacht, die nicht zur Einstellung des Verfahrens führen, wird das Verwarnungsgeld in ein Bußgeldverfahren übergeleitet und ein entsprechender Bußgeldbescheid erlassen. Dieser beinhaltet neben der Geldbuße auch die Kosten des Verwaltungsverfahrens (z.Zt. 20,00 Euro) und die Zustellungskosten (z.Zt. 5,10 Euro), insgesamt 25,10 Euro.

(...)

Wird die Zahlung verweigert obwohl Zahlungsfähigkeit besteht, kann beim Amtsgericht Erzwingungshaft (bis zu 6 Wochen) beantragt werden. Die Erzwingungshaft ist ein Beugemittel – durch den Vollzug der Haft werden Betroffene nicht von der Zahlung der Geldbuße befreit.


Wer nicht zahlt - kommt weg
(Aus der "Freie Presse" Thüringen)

Wer die Gebührenrechnung auf die leichte Schulter nimmt, erhält vom Rathaus einen Mahnbescheid. 60 Prozent der Säumigen füllen dann die Überweisung aus. Die anderen müssen nach einer weiteren Aufforderung mit dem Besuch von einem der vier Vollstreckungsexperten der Stadt rechnen. Der kann Bargeld einfordern oder Gegenstände pfänden. Auch Gehalt, Lebensversicherung oder Sparbücher sind vor Zugriffen nicht mehr sicher. Zudem droht die Zwangsversteigerung von Immobilien. Führt dies alles nicht zum Erfolg, muss der Schuldner den Offenbarungseid leisten.
Bei Bußgeld-Muffeln schlägt die Stadt einen anderen Weg ein. Hat ein Falschparker oder Schnellfahrer auf Mahnbriefe nicht reagiert und Vollstreckungstermine sausen lassen, beantragt die Chefin der städtischen Bußgeldstelle, Margit Kleinhempel, beim Plauener Amtsgericht Erzwingungshaft. "1084 Anträge sind allein im vergangenen Jahr rausgegangen", sagt sie. Die Betroffenen bekommen vom Gericht nochmals einen Anhörungsbogen und eine Zwei-Wochen-Frist, um Geld locker zu machen.

Und wer sich jetzt immer noch nicht zuckt? Dem ordnet das Amtsgericht Erzwingungshaft an. Dabei ist die Dauer im Knast nach der Höhe des Bußgelds gestaffelt: 25 Euro entspricht einem Tag hinter Gitter - ohne dass man nach Ende der Haft die Schulden vom Hals hätte. Der Staat kann dazu noch die Auslagen für den Gefängnisaufenthalt u.ä. nachträglich einfordern(!).

Zivilcourage wird bestraft - von Zadran Z. dem Messerstecher
(aus dem Hamburger Abendblatt)

Staatsanwalt Kuno Fischer fand deutliche Worte. "Erbarmungslose Brutalität, Vernichtungswillen und bedingten Tötungsvorsatz" attestierte Fischer dem Angeklagten Zadran Z. (Name geändert). Der als gewalttätig bekannte 18jährige, der im März dieses Jahres den Polizeihauptkommissar Jan W. (42) mit mehreren Messerstichen schwer verletzt hat, muß für diese Tat ins Gefängnis: Zwei Jahre und neun Monate Jugendhaft lautete das Urteil des Amtsgerichts Norderstedt für den vorbestraften Jugendlichen. "Er ist eine Gefahr für sich und andere", begründete Amtsrichter Reinhard Leendertz das Urteil.

Rückblende: Sonntag, 20. März, 4.20 Uhr, U-Bahnhof Garstedt. Jan W., der von einer Feier kommt und Zivil trägt, sieht, daß drei Jugendliche trotz Verbots rauchen und fordert sie auf, die Zigaretten auszumachen. Es kommt zum Gerangel. Wenig später eskaliert der Streit: Im U-Bahnhof Norderstedt-Mitte, der Endstation, steigen Jan W. und der Angeklagte aus der Bahn. Z. zieht ein Messer und beginnt auf dem U-Bahn-Vorplatz an der Norderstedter Rathausallee auf den 42jährigen einzustechen. Als Z. endlich von seinem Opfer abläßt, hat Jan W. mehrere Schnittwunden im Gesicht und eine 1,5 Zentimeter tiefe Stichwunde im Rücken. "Er schrie immer, daß er mich abstechen wolle und daß ich die Sonne nicht mehr sehen würde. Ich hatte Angst um mein Leben", sagte Jan W. vor Gericht. Es war wohl eine Mischung aus Zivilcourage, gesundem Selbstbewußtsein und Alkohol, die den Polizeihauptkommissar dazu gebracht hatte, die Jugendlichen auf das Rauchverbot hinzuweisen. "Wenn ich gewußt hätte, was dabei rauskommt, hätte ich meine Klappe gehalten", sagte Jan W., der in der Tatnacht nach eigenen Angaben angetrunken war.

Auch der Angeklagte hatte getrunken, bei einer Party in einem Jugendhaus. In der Vergangenheit hat er immer wieder bewiesen, daß ihm geringste Anlässe ausreichten, um gewalttätig zu werden. So 2003 bei einem Weinfest in Langenhorn, als er nach einem Streit mit einem Messer auf zwei Männer einstach und sie an der Hand, am Hals und in den Bauch traf. Zu acht Monaten Jugendstrafe auf Bewährung war er dafür verurteilt worden.

Seine Anwältin Claudia Krüger plädierte auch diesmal für eine Bewährungsstrafe. "Mein Mandant sollte noch eine Chance bekommen", sagte sie. Z. selbst sagte nicht aus. Anwältin Krüger hatte eingangs eine Erklärung verlesen, nach der Z. seine Tat bedaure und sich dafür entschuldigen wolle. Krüger versuchte in der Verhandlung, dem Opfer Jan W. eine Teilschuld zuzuschieben. Er habe sich "aggressiv" verhalten. Richter Leendertz folgte dieser Argumentation nicht, sondern schloß sich gemeinam mit den beiden Schöffen dem Antrag der Staatsanwaltschaft an. Bevor das Urteil verkündet wurde, sagte der Angeklagte doch noch etwas. "Tschuldigung", murmelte er.

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