Samstag, 31. März 2007
Benzinpreis - Spielchen der Marktwirtschaft
Am 31. März 2007
"Der ADAC appelliert nachdrücklich an die Mineralölkonzerne, die Kraftstoffpreise zu Beginn der Osterreisewelle nicht noch weiter zu erhöhen." Was erwartet Deutschlands größter Autoclub von diesem Appell? Dass die Konzerne zittern vor Angst, oder dass sie ausnahmsweise mal darauf verzichten, mehr Geld zu verdienen?

Es ist naiv, an so etwas zu glauben. Was die Autofahrer und ihre Interessenvertreter immer gern als "Abzocke" bezeichnen, ist schlicht Marktwirtschaft: Eine hohe Nachfrage erzeugt hohe Preise - jedenfalls dann, wenn es nur wenige Anbieter gibt. Das kann man auch bei Rolling-Stones-Konzerten und WM-Spielen im Fußball beobachten, nur dass da niemand protestiert. Beim Autofahren kommt hinzu, dass Treibstoff ein knappes, auf jeden Fall ein nicht unendlich verfügbares Gut ist, und so enthält der Spritpreis immer noch ein paar zusätzliche Psycho-Cents. Die Oster-Formel lautet also wie jedes Jahr: Hohe Nachfrage + (scheinbar) knappes Angebot + kleiner Anbieterkreis = steigende Preise.

"Es kann nicht sein, dass jedes Mal die Ferienzeit dafür herhalten muss, die Erlöse auf Kosten der Autofahrer zu steigern", sagt ADAC-Präsident Peter Meyer. Aber wie soll eine Firma denn sonst Gewinne machen, wenn nicht mit dem Geld ihrer Kunden? Nein, die Anbieter der begehrten Ware sind die falschen Adressaten der ADAC-Forderung. Origineller wäre es, wenn der Club sich um die Nachfrageseite kümmerte. Fahrt Ostern nicht weg, könnte die Forderung lauten. Oder wenigstens: Fahrt mit der Bahn, fahrt zu mehreren in einem Auto, fahrt nicht so weit diesmal, fahrt langsamer - tut einfach alles, um Benzin zu sparen.

Das ist nebenbei eine ganz gute Idee für den Klimaschutz. In der Hauptsache aber bedeutete es einen Gewinneinbruch für die Ölfirmen, die dann wieder gezwungen wären, ihren Absatz anzukurbeln. Das macht man gewöhnlich mit Preissenkungen.

Quelle: Die Welt

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Kommentar der Ökozialdemokröte:

Also hier muss ich mal zur Feder greifen. Merkwürdige Ansicht der Dinge, die hier auch noch öffentlich als durchaus gerechtfertigt dargestellt wird. Das die Mineralölkonzerne überdurchschnittlich hohe Gewinne einfahren, dürfte selbst Nicht-Autofahrern bekannt sein. Und auch dem Verfasser dieses Artikels.

Da sind solche erklärenden Sätze wie "Was die Autofahrer und ihre Interessenvertreter immer gern als "Abzocke" bezeichnen, ist schlicht Marktwirtschaft: Eine hohe Nachfrage erzeugt hohe Preise - jedenfalls dann, wenn es nur wenige Anbieter gibt. Das kann man auch bei Rolling-Stones-Konzerten und WM-Spielen im Fußball beobachten, nur dass da niemand protestiert." total verfehlt. Diese Masche ist generell nicht in Ordnung und meiner Meinung nach eine sehr unschöne Blüte der Marktwirtschaft. Gerade beim Sprit sollte man den Konzernen nicht so in den Schoß argumentieren. Denn selbst wenn es mal "schlecht" für die Herrscher des treibenden Stoffes läuft, verdienen sie weit mehr, als viele andere Unternehmen in unserem Land. Und das obwohl der Großteil des Benzinpreises ja nicht einmal Marge der Konzerne ist, sondern Steuer, die der Staat kassiert. Der wird sich damit wohl auch hüten, gesetzlich irgendetwas dagegen zu tun oder es öffentlich anzuprangern.

MINERALÖLSTEUER
Den Löwenanteil am Benzinpreis bekommt seit Jahrzehnten der Staat. Seit 2003 die fünfte Stufe der Ökosteuerreform in Kraft trat, kassiert der Fiskus je Liter Benzin 65,5 Cent an Mineralölsteuer. Davon gehen rund 15,4 Cent auf das Konto der Ökosteuer. Schon vor der rot-grünen Bundesregierung hatte die damalige Koalition aus Union und FDP mehrfach kräftig an der Steuerschraube gedreht und die Mineralölsteuer von umgerechnet gut 25 Cent im Herbst 1982 auf 50 Cent netto im Herbst 1998 fast verdoppelt. Sie lag im Juni umgerechnet auf den Liter Superbenzin bei durchschnittlich 16,8 Cent. Damit fließen je Liter brutto rund 82 Cent in die öffentlichen Kassen - das sind 68 Prozent des durchschnittlichen Benzinpreises. Der lag im Juni für ein Liter Super bei 121,7 Euro.


Der Staat verdient kräftig mit

Das unser Vater Staat mehr als nur ein Interesse in solchen Geschäften hat, zeigt auch die elendige Diskussion um das Rauchverbot oder die Antirauchkampagne der EU vor ein paar Jahren. Denn auch hier verdient der Staat Millionen an den Nöten einzelner. Das man in unserer Gesellschaft mobiler denn je sein muss, kann dem Fiskus da nur gelegen kommen. Die Gier nach Geld ist eben immer gößer als die Vernunft. Man könnte auch sagen "Je höher der Gewinn, desto weniger Hirn" irgendwann setzt die Denke halt aus. Wie beim Sex. Nur das Geld nicht so glücklich macht.

Unehrliches Getue

Schade nur, dass sich unsere Regierung bei dieser menschlichen Schwäche nicht von der Masse abhebt. Sie sollten es doch eigentlich besser wissen. So werden sie jedenfalls bezahlt. Interessant hier auch das Thema Ökosteuer. Ich muss sagen, dass es durchaus gerechtfertigt wäre, vom Sprit so viel abzuzweigen, wenn es denn sinnvoll für den Naturschutz verwendet werden würde. Eine kleine Suche bei Google offenbart jedoch, auch hier tun sich tiefe Abgründe auf, in die ich mich zum Wochenende nicht begeben mag.

In dem Sinne, zu Ostern einfach mal Fahrradfahren. Macht eh viel mehr Spaß und ist dazu auch noch gesund und schont die Umwelt.

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Freitag, 30. März 2007
Untreue ohne Reue - Die Millionen von Berlin
Am 30. März 2007 im Topic 'Deutschland'
Es ist sechs Jahre her, aber schon fast vergessen. Im Frühjahr 2001 sorgte der Skandal um die Berliner Bankgesellschaft und dessen Immobilientochter Berlin Hyp wochenlang für Schlagzeilen. Die Bankenaufsicht drohte damit, eine der größten deutschen Banken zu schließen, eine Stadt war in Aufruhr. Die Große Koalition in der Hauptsstadt platzte und Klaus Wowereit übernahm mit seinem rot-roten Senat die Regierungsgeschäfte. Seitdem ächzt die Stadt unter einer gigantischen Schuldenlast und quält sich angesichts einer rigiden Sparpolitik.

Strafrechtlich jedoch hat der Skandal nach einem 20-monatigen Prozess und 78 Verhandlungstagen lediglich milde Konsequenzen. Das Berliner Landgericht verurteilte am Mittwoch den ehemaligen Vorstand der Berlin Hyp und früheren Berliner CDU-Fraktionsvorsitzenden Klaus Landowsky wegen Untreue zu einer Strafe von einem Jahr und vier Monaten auf Bewährung. Vier Mitangeklagte erhielten Bewährungsstrafen zwischen 12 und 16 Monaten, acht Angeklagte wurden freigesprochen. Dem einstigen "Paten" von Berlin bleibt damit das Gefängnis erspart.

Zwar ist das Urteil noch nicht rechtskräftig, trotzdem hat das Berliner Landgereicht in aller Nüchternheit zunächst einmal festgestellt, dass die Berliner Banker nicht nur schlecht gewirtschaftet, sondern auch Vermögen im großen Stil veruntreut haben. Der Vorsitzende Richter Josef Roth sprach in der Urteilsbegründung von „gravierenden Pflichtverletzungen“ bei der Vergabe von Krediten in Höhe von 235 Millionen Euro an die Immobilienfirma Aubis. Insofern ist das Urteil auch ein juristisches Signal.

Dennoch hinterlässt das Urteil angesichts des angerichteten Schadens einen schalen Beigeschmack. Der Fehler liegt allerdings im System. Denn bei der juristischen Aufarbeitung des Skandals um die Berliner Bankgesellschaft zeigte sich erstens, dass die Staatsanwaltschaft in diesem Wirtschaftsstrafverfahren, das zu den größten der Nachkriegsgeschichte gehört, mit 5000 Aktenordnern an Prozessunterlagen und äußerst komplexen Tatvorwürfen, von Anfang an personell und fachlich völlig überfordert war. Zweitens entpuppte es sich als juristisch außerordentlich schwierig, die 148 Ermittlungsverfahren mit völlig unterschiedlichen Beschuldigten und Tatvorwürfe so zu bündeln, dass sie überhaupt verhandelbar wurden.

Drittens kam den Angeklagten der schwammige Untreueparagraf im Strafgesetzbuch zu Hilfe. Dieser stellt nur „gravierende Pflichtverletzungen“ unter Strafe und erlaubt bei der Ermittlung des materiellen Schadens einen erheblichen Interpretationsspielraum. Wodurch nicht nur die Beweisführung erschwert wird, sondern Untreue-Prozesse auch beliebig in die Länge gezogen werden können. Angesichts der modernen Wirtschaftskriminalität ist dieser Paragraf völlig veraltet.

(...)

Quelle: Die Zeit

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Buchmesse: Grass teilt mächtig aus...
Am 30. März 2007 im Topic 'Allgemein'
(...)

Der Nächste, bitte: Günter Grass! Vor dem blauen Sofa liegen dünne gelbe Bücher: das neue, nun ja, Werk. Gestapelt sehen sie aus wie alte Telefonbücher, obwohl sie natürlich nicht so wahrheitsgetreu sind. Grass sagt schon bei der zweiten Frage, die der Moderator Dominik Wichmann stellt, pampig: „Ich muss Sie unterbrechen!“ Er habe keiner Zeitung jemals etwas gestanden, und sein einziger Fehler sei es gewesen, damals, mit vierzehn, fünfzehn, nicht die richtigen Fragen gestellt zu haben, wegen des toten Onkels und so. So geht das weiter. Dann: Ob es stimme, was er da vorhin gesagt habe. „Na gut“, sagt Grass, „ich korrigiere das Wort.“ Es ging um ein typisches SS-Wort.


„Entartung des deutschen Journalismus“

Das kam so. Freitag mittag gegen halb eins tritt Günter Grass das erste Mal in Aktion. Der Stand der „Leipziger Volkszeitung“ ist entsprechend voll, ich stehe im Gang und kann es nicht verhindern, dass mir andauernd Leute gegen den Kugelschreiber stoßen. Und hören kann ich auch nicht alles, weil die Lautsprecher zu leise sind und das vorbeiziehende Publikum natürlich nicht einsieht, warum es still sein soll. „Wer ist das?“ Ich sage mit zusammengekniffenen Lippen, als wäre ich Clint Eastwood in einem Spaghettiwestern, immer wieder: „Grass.“

Hören wir, was er zu sagen hat: „fertigmachen“, „Totschlagmentalität“, „Niedergang des Journalismus“, „mundtot machen“. Und dann, irgendwann, kommt dieses eine Wort. Ich habe es leider nicht verstehen können, weil zwei Schülerinnen direkt neben mir standen, laut redeten und dabei Wurstgraubrote aßen. Aber ein netter Kollege hat es gehört: „Ja, ganz sicher, das hat er gesagt.“ Ich glaube es nicht und drängele mich zu Grassens Interviewer durch, dem Chefredakteur Bernd Hilder. Der ist sich auch nicht mehr ganz sicher. Wir gehen in einen Holzverschlag hinter der Bühne, wo man alles mitstenographiert hat. Und da steht es dann: „Entartung des deutschen Journalismus.“


Nach dem Ich-hau-dir-in-die-Schnauze-Prinzip

So redet ein Literaturnobelpreisträger. Grass wird das Wort dann auf dem blauen Sofa wirklich korrigieren und von der „Gleichgestimmtheit“ der Medien reden, was zwar etwas Anderes, aber nicht weniger abwegig ist. Es ist das Ich-hau-dir-in-die-Schnauze-Prinzip: zuschlagen statt nachdenken.

(...)

Quelle: FAZ

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