Buchmesse: Grass teilt mächtig aus...
Am 30. März 2007 im Topic 'Allgemein'
(...)
Der Nächste, bitte: Günter Grass! Vor dem blauen Sofa liegen dünne gelbe Bücher: das neue, nun ja, Werk. Gestapelt sehen sie aus wie alte Telefonbücher, obwohl sie natürlich nicht so wahrheitsgetreu sind. Grass sagt schon bei der zweiten Frage, die der Moderator Dominik Wichmann stellt, pampig: „Ich muss Sie unterbrechen!“ Er habe keiner Zeitung jemals etwas gestanden, und sein einziger Fehler sei es gewesen, damals, mit vierzehn, fünfzehn, nicht die richtigen Fragen gestellt zu haben, wegen des toten Onkels und so. So geht das weiter. Dann: Ob es stimme, was er da vorhin gesagt habe. „Na gut“, sagt Grass, „ich korrigiere das Wort.“ Es ging um ein typisches SS-Wort.
„Entartung des deutschen Journalismus“
Das kam so. Freitag mittag gegen halb eins tritt Günter Grass das erste Mal in Aktion. Der Stand der „Leipziger Volkszeitung“ ist entsprechend voll, ich stehe im Gang und kann es nicht verhindern, dass mir andauernd Leute gegen den Kugelschreiber stoßen. Und hören kann ich auch nicht alles, weil die Lautsprecher zu leise sind und das vorbeiziehende Publikum natürlich nicht einsieht, warum es still sein soll. „Wer ist das?“ Ich sage mit zusammengekniffenen Lippen, als wäre ich Clint Eastwood in einem Spaghettiwestern, immer wieder: „Grass.“
Hören wir, was er zu sagen hat: „fertigmachen“, „Totschlagmentalität“, „Niedergang des Journalismus“, „mundtot machen“. Und dann, irgendwann, kommt dieses eine Wort. Ich habe es leider nicht verstehen können, weil zwei Schülerinnen direkt neben mir standen, laut redeten und dabei Wurstgraubrote aßen. Aber ein netter Kollege hat es gehört: „Ja, ganz sicher, das hat er gesagt.“ Ich glaube es nicht und drängele mich zu Grassens Interviewer durch, dem Chefredakteur Bernd Hilder. Der ist sich auch nicht mehr ganz sicher. Wir gehen in einen Holzverschlag hinter der Bühne, wo man alles mitstenographiert hat. Und da steht es dann: „Entartung des deutschen Journalismus.“
Nach dem Ich-hau-dir-in-die-Schnauze-Prinzip
So redet ein Literaturnobelpreisträger. Grass wird das Wort dann auf dem blauen Sofa wirklich korrigieren und von der „Gleichgestimmtheit“ der Medien reden, was zwar etwas Anderes, aber nicht weniger abwegig ist. Es ist das Ich-hau-dir-in-die-Schnauze-Prinzip: zuschlagen statt nachdenken.
(...)
Quelle: FAZ
Der Nächste, bitte: Günter Grass! Vor dem blauen Sofa liegen dünne gelbe Bücher: das neue, nun ja, Werk. Gestapelt sehen sie aus wie alte Telefonbücher, obwohl sie natürlich nicht so wahrheitsgetreu sind. Grass sagt schon bei der zweiten Frage, die der Moderator Dominik Wichmann stellt, pampig: „Ich muss Sie unterbrechen!“ Er habe keiner Zeitung jemals etwas gestanden, und sein einziger Fehler sei es gewesen, damals, mit vierzehn, fünfzehn, nicht die richtigen Fragen gestellt zu haben, wegen des toten Onkels und so. So geht das weiter. Dann: Ob es stimme, was er da vorhin gesagt habe. „Na gut“, sagt Grass, „ich korrigiere das Wort.“ Es ging um ein typisches SS-Wort.
„Entartung des deutschen Journalismus“
Das kam so. Freitag mittag gegen halb eins tritt Günter Grass das erste Mal in Aktion. Der Stand der „Leipziger Volkszeitung“ ist entsprechend voll, ich stehe im Gang und kann es nicht verhindern, dass mir andauernd Leute gegen den Kugelschreiber stoßen. Und hören kann ich auch nicht alles, weil die Lautsprecher zu leise sind und das vorbeiziehende Publikum natürlich nicht einsieht, warum es still sein soll. „Wer ist das?“ Ich sage mit zusammengekniffenen Lippen, als wäre ich Clint Eastwood in einem Spaghettiwestern, immer wieder: „Grass.“
Hören wir, was er zu sagen hat: „fertigmachen“, „Totschlagmentalität“, „Niedergang des Journalismus“, „mundtot machen“. Und dann, irgendwann, kommt dieses eine Wort. Ich habe es leider nicht verstehen können, weil zwei Schülerinnen direkt neben mir standen, laut redeten und dabei Wurstgraubrote aßen. Aber ein netter Kollege hat es gehört: „Ja, ganz sicher, das hat er gesagt.“ Ich glaube es nicht und drängele mich zu Grassens Interviewer durch, dem Chefredakteur Bernd Hilder. Der ist sich auch nicht mehr ganz sicher. Wir gehen in einen Holzverschlag hinter der Bühne, wo man alles mitstenographiert hat. Und da steht es dann: „Entartung des deutschen Journalismus.“
Nach dem Ich-hau-dir-in-die-Schnauze-Prinzip
So redet ein Literaturnobelpreisträger. Grass wird das Wort dann auf dem blauen Sofa wirklich korrigieren und von der „Gleichgestimmtheit“ der Medien reden, was zwar etwas Anderes, aber nicht weniger abwegig ist. Es ist das Ich-hau-dir-in-die-Schnauze-Prinzip: zuschlagen statt nachdenken.
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Quelle: FAZ